ESBL – wie ernst ist die Gefahr einer Ansteckung wirklich?

 

 

Derzeit wird in Print- und online-Medien berichtet, dass eine „neue“ Bakterienart (ESBL) über bestimmte Wurstwaren zu Infektionen führen könnte, gegen die viele Antibiotika machtlos sind.

 

Zunächst - ESBL heißt „Extended-Spectrum-Betalaktamase“ und ist keine neue Bakterienart, es handelt sich vielmehr um Bakterien, welche die offenbar ohnehin seit Jahrzehnten bekannte Resistenz von Penicillinen weiter ausdehnen, insbesondere auch auf viele Cephalosporine(1).

 

Die seit langem bekannte Resistenz gegen Penicillin konnte durch die Entdeckung von Clavulansäure (aus Streptomyces clavuligerus) lange Zeit verhindert werden. Clavulansäure selbst wirkt nicht bakterienschädigend, verhilft aber Kombinationspräparaten (meist Amoxicillin plus Clavulansäure zu einer erhöhten Wirksamkeit gegen Infektionen der Atemwege, des Urogenitaltraktes, der Haut- und Weichteile, sowie bei Osteomyelitis im Zahn und Kieferbereich. Clavulansäure hemmt durch eine kovalente Bindung das Enzym ß-Lactamase von Penicillinen und Cephalosporinen.

 

Anm.: Typische Kombinationspräpate mit Amoxicillin sind u.a. Augmentan(D), Augmentin(A,CH), Clavamox(A) oder Co-Amoxilillin(CH).

 

Seit etwa 1990 findet man auch Bakterieninfektionen bei denen Clavulansäure nicht mehr hilft, genauer ist dies seit etwa 2010 bekannt und jetzt wurde durch Tests, die von den „Grünen“ in Deutschland veranlasst wurden bestätigt, dass in manchen Fleischprodukten solche Keime vorhanden waren. Es handelte sich dabei stets um Wurst oder Räucherwaren wie Salami oder Mettwurst, die nicht gekocht werden, jedoch auch um Putenfleisch. Diese Tests sind sicherlich ernst zu nehmen, die Ursache dieser Resistenzentwicklungen liegt vermutlich in der Tierhaltung, die obwohl in Deutschland halbjährlich kontrolliert und in der doch insgesamt sparsamer mit Antibiotika umgegangen werden sollte. Es würde wahrscheinlich auch nichts nützen, wenn bei der Tierhaltung nur Antibiotika verwendet würden, die nicht beim Menschen eingesetzt werden, weil sich sehr leicht Kreuzresistenzen bilden. Ganz vermeiden lässt sich der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung nicht.

 

Ärzte und Kliniken beginnen bei der Behandlung infizierter Patienten, wenn der exakte Keim noch nicht abgeklärt ist, meist mit Cephalosporinen oder den Penicillin-Clavulansäure Präparaten. Wenn solche Präparate nicht ansprechen, so sollten sehr schnell andere Antibiotika eingesetzt werden, die bei den obengenannten Infektionen gut ansprechen:

 

Ofloxacin (ein Gyrasehemmer)

 

Tetracykline sind hervorragende Breitbandantibiotika, sie verhindern die Anlagerung von Aminoacyl-tRNA an die rRNA in der 30-S-Untereinheit des Baktereien-Ribosoms und stoppen so die Translation und letztlich dadurch die Proteinsynthese. Tetracycline haben etwas mehr Nebenwirkungen als die obengenannten Antibiotika-Kombinationspräparate. Diese Nebenwirkungen sind in den meisten Fällen dann vernachlässigbar, wenn man eine Infektion (auch den Krankenhauskeimen) nicht mehr Herr wird, wobei viele Tetracycline gegen Krankenhauskeime inzwischen resistent sind. Das relativ neue Tigecyclin (Tygacil®) ist der erste Vertreter einer innovativen Klasse der Glycylcycline die zwei in dieser Klasse der Antibiotika bedeutenden Resistenzmechanismen umgeht: Die Effluxpumpe und die ribosomalen Schutzmechanismen.

 

Typische Tetracykline: Das älteste ist Chlortetracycin (1952 als Aureomycin am Markt), Vibramycin (oft gut bei Lungenentzündungen einsetzbar, wenn Cephalosporine nicht helfen),  Doxycyclin und Minocyclin und ganz besonders das neuere obengenannte:

Tigecyclin (Tygacil®).

 

Anm.: Leider ist das früher so bekannte Chloramphenicol (Paraxin®, erstmals synthetisiert Boehringer Mannheim GmbH) heute nur noch in Augentropfen als Monopräparat im Handel (z.B. Halomycetin, Kemecitin, Posifenicol, Septicol vorhanden – verboten wurde die Substanz nie. Chloramphenicol war lange Zeit dafür bekannt, dass es keine Resistenzen entwickelte(2).

 

FACIT: Wirklich ernst ist ESBL heute noch nicht – es bedarf nur einer erhöhten Wachsamkeit und des schnellen Wechsels auf ein anderes der genannte Anibiotika (insbesondere: Ofloxacin® oder Tygacil®)

 

(AR)

(22.5.2014)

 

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(1) http://infektionsnetz.at/AktuellesESBL.phtml,  siehe auch: http://flexikon.doccheck.com/de/Extended-Spectrum-Betalaktamase

 

(2) Der Autor von „Pharma Selected“ war zur Zeit der „Hochblüte“ von Chloramphenicol zunächst als Abteilungsleiter für Antibiotikaforschung (Gyrasehemmer) tätig, bevor er in die Allgemeine analytische Forschung und zu anderen Managementaufgaben wechselte. Die Toxizität von Chloramphenicol ist relativ gering, u.a. dosisabhängige, reversible Knochenmarkschädigungen, es gibt nur sehr selten irreversible Schädigungen, weshalb es bei Neugeborenen kontraindiziert war. Vielfach waren die Schädigungen auch dadurch bedingt, dass entgegen der Vorgaben von Boehringer Mannheim, oft viel zu hohe Dosen (ganz besonders in den USA) von den Ärzten eingesetzt wurden. Ich weiß leider nicht, ob das Präparat auch heute noch gegen resistente Keime wirksam wäre, weil es als Monoprodukt der notwendigen Dosierung schon lange nicht mehr im Handel ist.

 

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© Dr. Alfred Rhomberg