Neue Angiogenese-Hemmer bei Tumorerkrankungen: Aflibercept und Regorafenib

 

 

 

Unter Anti-Angiogenese versteht man die medikamentöse Unterbindung der Gefäßbildung (Angiogenese). Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von halbsynthetisch oder genetisch hergestellten Stoffen (insbesondere monoklonale Antikörper), die diese Eigenschaft haben und die zunehmend erfolgreich zur Tumorbehandlung eingesetzt werden.

 

Sobald ein bösartiger Tumor eine Größe von wenigen Millimetern hat, reicht die benötigte Zufuhr von Sauerstoff und Nährstoffen nicht mehr aus, um weiter wachsen zu können. Für jedes Gewebe (auch Tumorgewebe) wird die erforderliche Blutversorgung durch Neubildung von Gefäßen (Angiogenese) mit Hilfe von Steuersubstanzen wie z.B. VEGF (vascular endothelial growth factor) reguliert. Würde daher die Gefäßbildung bei Tumoren gezielt unterbunden, könnte der Tumor nicht mehr weiter wachsen. Die Hypothese, auf diese Weise das Tumorwachstum gezielt zu hemmen ist keineswegs neu, sie wurde von dem US-amerikanischen Krebsforscher Judah Folkman bereits in den 70-iger Jahren aufgestellt. Zu dieser Zeit fehlten allerdings sowohl das biochemische, als auch das humangenetische Wissen, die Hypothese zu beweisen. Vor allem fehlte das erforderliche gentechnische know ow, monoklonale Antikörper herzustellen. Erst 2005 wurde das erste wirksame Mittel zur Anti-Angionese gegen Tumorerkrankungen, Bevacizumab (Handelsname Avastin®, Roche) zunächst gegen metastasierten kolorektalen Krebs und in den Folgejahren gegen inzwischen mehrere Arten von Tumorerkrankungen zugelassen. Inzwischen gibt es mehrere neue Substanze, die als Inhibitoren von verschiedenen VEGF Varianten (VEGF-A, VEGF-B und PIGF = placental growth factor) konzipiert sind.

 

Aflibercept

 

Aflibercept ist ein neues rekombinanntes Fusions- oder chimäres Protein, das die Angiogenese infolge seiner Inhibitorwirkung von VEGF-A, VEGF-B und PIGF hemmt.

 

Die US Food and Drug Administration genehmigten im Juni 2012 Zaltrap® (ziv-aflibercept) in Verbindung mit einer Chemotherapierung bestehend aus Folsäure, Fluorouracil und Irinotecan (s.Anm.)zur Behandlung Erwachsener mit Darmkrebs, wenn Bevacizumab nicht mehr anspricht.

 

Anm.: Irinotecan ist ein Zytostatikumaus der Gruppe der Topoisomerase-Hemmer und ist ein halbsynthetisches Derivat des Pflanzeninhaltstoffes Camptothecin.

 

Dieses Fusions- oder chimäre Protein wurde von Sanofi-Aventis zusammen mit Regeneron Pharmaceuticals als Inhibitor von VEGF (vascular endothelial growth factor) entwickelt (1) (2)

 

Regorafenib in Phase III Studie

 

Regorafenib ist ein neuartiger oral wirksamer Multi-Kinase-Inhibitor, der wichtige Signalwege des Tumorwachstums u.a. die Rezeptoren für VEGF sowie den TIE-2 Rezeptor, der ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Angiogenese. Außerdem blockiert Regorafenib die onkogenen Kinasen RAF, RET und c-KIT und verhindert dadurch das Wachstum von Tumorzellen. Daten der Phase-III-Sudie CORRECT haben gezeigt, dass die Gesamtüberlebenszeit von metastasiertem Darmkrebs signifikant verlängert werden kann (3).

 

Im September 2012 hat die Bayer AG von der US-Gesundheitsbehörde FDA eine Zulassung unter dem Handelsnamen Stivarga zur Behandlung von mCRC (Kolorektales Karzinom) erhalten(4), auch in Japan wurde Stivarga aufgrund der positiven Ergebnisse der Phase-III-Studie GRID-Studie in einem beschleunigten Verfahren bereits zugelassen.

 

Allgemeines zu derartigen Zulassungen

 

Zulassungen von Arzneimitteln bei der FDA (USA) sind für neue Arzneimittel wichtig, allerdings heißt das noch nicht, dass dadurch auch eine Zulassung für Europa garantiert ist.

 

Bei den im Beitrag erwähnten Substanzen Aflibercept und Regorafenib gab es, wie bei allen ähnlichen derartigen Studien, eine grundsätzliche Problematik: sie wurden an Schwerstkranken durchgeführt, bei der u.a. die Überlebenszeit gegenüber anderen üblichen Therapien eines der wichtigsten Kriterium war. Diese ist bei beiden Substanzen zwar nachweisbar, jedoch nicht in dem Maße, dass eine Zulassung absolut selbstverständlich ist. In Europa wird bei Zulassungen zudem ein "Zusatznutzen" oder ein Kosten-Wirkungsvergleich verlangt, der aufgrund der Studien schwer einschätzbar ist.

 

(AR) 

(26.3.2013)

 

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(1) http://www.news-medical.net/news/20120806/28776/German.aspx

 

(2) http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2013/02/15/laengeres-ueberleben-durch-aflibercept/9433.html

 

(3) http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=33927

 

(4)  http://www.onvista.de/news/alle-news/artikel/21.12.2012-13:37:30-bayer-zulassung-fuer-regorafenib-zur-behandlung-gastrointestinaler-stroma-tumore-in-japan-beantragt

 

 

 

 

 

 

Pharmaka sind Wirkstoffe für therapeutische oder diagnostische Zwecke, allerdings gilt der von Paracelsus (1493-1541) geprägte Satz:

 

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei“.

 

Paracelsus machte sich bei seinen Vorlesungen in Basel oft unbeliebt weil er sie 1). auf deutsch hielt und 2). die vorherrschende Meinung der Humoralpathologie des Galen oft als Bücherweisheit medizinischer Gelehrter kritisierte.

 

 

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© Dr. Alfred Rhomberg