ACE-Hemmer – ein Beispiel für innovative
Pharmaforschung
Es ist tragisch, dass eine so leicht diagnostizierbare Erkrankung wie „hoher Blutdruck“, selten rechtzeitig und richtig therapiert wird. Zu hoher Blutdruck wird häufig erst erkannt, wenn man wegen einer anderen Erkrankungen beim Arzt gründlicher „durchgescheckt“ wird. In jungen Jahren ist die Chance, irreparable Schäden zu verhindern ausgesprochen gut. Oft genügt eine Veränderung der Lebensweise um wieder normale Blutdruckwerte zu erreichen – wenn nicht, gibt es heute Medikamente, die rechtzeitig angewendet, die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes sehr stark herabsetzt und vorbeugend gegen andere Erkrankungen des Herzkreislaufsystems, wie z.B. frühzeitige Artherosklerose oder bestimmte Nierenerkrankungen wirken. Wichtig ist, dass auch geringfügig erhöhter Blutdruck bereits in jungen Jahren therapiert werden muss.
So leicht es ist, erhöhten Blutdruck durch eine Blutdruckmessung zu diagnostizieren, so schwer ist es, eine wirklich sinnvolle Therapie zu finden, da es sehr viele Ursachen für erhöhten Blutdruck gibt und es nicht genügt, „irgendein“ Blutdruckmittel zu verordnen (essentielle Hypertonie)
Innovative Pharmaforschung am Beispiel der ACE Hemmer
Noch um 1960 wurden blutdrucksenkende Mittel oft eher zufällig gefunden wie z.B. die Dihydralazine (Nepresol). Diese Mittel haben zwar auch den Blutdruck gesenkt, weil man zu dieser Zeit jedoch die verschiedenen Ursachen von Bluthochdruck noch nicht kannte, war ein nachhaltiger Erfolg oft nicht gegeben.
Durch den Fortschritt der Biochemie kennt man heute viele Gleichgewichte und Regelmechanismen im menschlichen Körper, unter anderem auch ein Gleichgewicht zwischen Stoffen, die für die Spannung und Entspannung von Blutgefäßen verantwortlich sind. Ohne hier auf solche meist sehr komplizierten Mechanismen näher einzugehen, soll hier nur angedeutet werden, dass sich aus einem inaktiven Eiweißstoff Angiotensin I durch Spaltung durch das Angiotensin Converting Enzyme (ACE) ein anderer Stoff (Angiotensin II) bildet, der die Blutgefäße zusammenzieht und dadurch erhöhten Blutdruck bewirkt, darüber hinaus aber auch andere schädliche Einflüsse hat. Genau dieses Angiotensin Converting Enzyme ist der Angriffspunkt der sogenannten ACE Hemmer, die heute einen großen Fortschritt in der Arzneimitteltherapie bedeuten.
Der Wirkkmechanismus der ACE-Hemmer beruht auf der Ähnlichkeit zu dem Ende eines Peptids des Angiotensin I (Peptide sind Eiweiße). Dadurch werden im Organismus ACE Hemmer vom Angiotensin Converting Enzyme fälschlich für Angiotensin I gehalten. Im Gegensatz zum tatsächlichen Angiotensin I werden sie aber nicht vom Enzym zum aktiven und schädlichen Angiotensin II umgesetzt und blockieren so die Entstehung dieser blutdrucksteigernden Substanz.
Wie wurden solche ACE Hemmer gefunden?
Im Schlangengift einer brasilianischen Otter wurde bereits 1948 bei Untersuchungen über die Giftigkeit von Schlangenbissen eine Eiweißsubstanz gefunden, die ein Modell für moderne ACE-Hemmer wurde. Die Trennung hochmolekularer Eiweiße und die exakte Analyse war zu dieser Zeit noch nicht möglich. Erst in den 60er Jahren wurden Trennungsverfahren und Analysegeräte so verbessert, dass man die chemische Struktur des sogenannten Bradykinin, das mit modernen ACE-Hemmern verwandt ist, analysieren konnte, um dann vereinfachte strukturähnliche Substanzen chemisch herstellen zu können.
Anm.: Die Trennverfahren Elektrophorese und Chromatograpie und die modernen Analyseverfahren der Kernmagnetischen Resonanzspektroskopie, der Röntgenstrukturanalyse sowie der Massenspektrometrie wurden in den Jahren zwischen 1960 und 1980 so verbessert, dass damit heute auch sehr komplizierte chemische Substanzen analysiert werden können, für deren Analyse man früher Jahrzehnte brauchte.
Hat man erst einmal eine wirksame Substanz gefunden, so gelingt es meist durch die Arbeit des Chemikers, das gefundene Molekül weiter zu verbessern, wobei heute auch räumliche Computerdarstellungen (Moleculardesign) eine wertvolle Hilfe sein können.
Anm.: besonders wirksame ACE Hemmer sind z.B. Captopril, Enalapril und Lisinopril, wobei diese Namen die sogenannten „Zulassungsnamen“ sind, die je nach Land oder nach Kombination mit anderen Wirkstoffen als Arzneimittel unterschiedlich heißen.
Die ärztliche Diagnose, durch welche Gleichgewichtsverschiebungen der zu hohe Blutdruck verursacht wird, ist nicht ganz einfach, sodass Ärzte zunächst meist andere, leichter erkennbare Ursachen ausschließen und anschließend unterschiedliche blutdrucksenkende Substanztypen ausprobieren. Leicht diagnostizierbare Ursachen für den hohen Blutdruck, wie z.B. bestimmte Nierenerkrankungen, Diabetes, Gefäßverengungen und gravierende Herzfehler, können relativ einfach ausgeschlossen werden. Stellt man fest, dass die Blutdrucksenkung bereits durch ganz geringe Mengen eines ACE-Hemmers erreicht wird, so ist das der beste Beweis, dass man auf der richtigen Spur ist.
ACE Hemmer wirken sich außerdem – wie viele Studien belegen – auch bei chronischer Herzinsuffiziens und nach erlittenem Herzinfarkt positiv aus und sind besonders in Kombination mit anderen Wirkstoffen heute Arzneimittel der ersten Wahl.
Abschließend soll noch festgestellt werden, dass gerade der untere Blutdruckwert (1) bei jüngeren Menschen oft auch durch Stress bedingt sein kann und dass selbst relativ niedrige Abweichungen vom Normwert (>80) behandelt werden müssen. Oft gelingt das ohne Medikamente durch gesündere Lebensweise (Gewichtabnahme, Nichtrauchen, leichtes Ausdauertraining und besseres Zeitmanagement bei der Arbeit.
____________________________________________________________________
(1) Was bedeuten die beiden Werte „unterer“ (diastystolischer) und „oberer“ (systolischer) Wert? Der obere Wert gibt den Druck an, der beim Zusammenziehen des Herzens entsteht, wenn das Blut in die Arterien gepumpt wird. Der niedrigere Wert ist der Druck zwischen zwei Herzschlägen, wenn das Herz nach dem Pumpvorgang wieder erschlafft und sich neu mit Blut zu füllen beginnt. In dieser Ruhephase ist der Druck in den Gefäßen niedriger. Normale Blutdruckwerte liegen bei 80 mm Hg (unterer Wert) und 120 mm Hg (oberer Wert). Messungen müssen immer mehrfach (an verschiedenen Tagen und zu verschiedenen Tageszeiten) durchgeführt werden. Moderne Blutdruckmessgeräte kosten heute sehr wenig (zwischen 10 bis 25 Euro), sodass es kein Luxus ist, sich so ein Gerät anzuschaffen, umsomehr als man auch stark erhöhte Blutdruckwerte körperlich nicht spürt.
Anm.: Bei den dem Beitrag vorangestellten Bildern sieht auch der Nichtchemiker die nahe Verwandtschaft von Angiotensin I und ACE Hemmern.
(AR)
25.03.2008