Was man zur „Designerdroge“ Crystal Meth oder Crystal (Methylamphetamin) wissen sollte

 


(S)-N-Methylamphetamin Struktur, Public Domain

 

 

In letzter Zeit wird in den Medien wieder häufig über die Zunahme des Missbrauchs von „Crystal“ oder „Crystal Meth“ berichtet. Diese Substanz ist jedoch keine neue „Designerdroge“, sondern das uralte Produkt „Pervitin“ (Methylamphetamin), das derzeit zur äußerst gefährlichen Modedroge geworden ist (1) und über das vor etwa zwei Jahren in verschiedenen Tageszeitungen öfter berichtet wurde.

 

Warum berichtet „Pharma Selected“ über eine so alte Substanz? Weil die neuerlichen Meldungen zeigen, wie schlecht der Medizinjournalismus gelegentlich recherchiert.

 

Die Substanz wurde erstmals 1893 durch den japanischen Chemiker Nagayoshi Nagai in flüssiger Form synthetisiert und im Rahmen der Aufklärungsarbeiten des Naturproduktes Ephedrin (mit dem Methamphetamin nahe verwandt ist) erstmals in Reinform von Akira Ogata kristallisiert und 1921 patentiert, siehe auch Publikationen in J.Pharm Soc. Jpn bzw. „Chemikel Abstracts“(2),(3) . In Deutschland wurde das Produkt 1937 von den Temmler Werken synthetisch hergestellt, patentiert und unter dem geschichtsträchtigen Namen „Pervitin® in den Handel gebracht. Seit 1939/40 wurde die deutsche Wehrmacht auf Pervitin aufmerksam, weil es sich hervorragend dazu eignete, Soldaten für gefährliche Panzer- oder „Stuka-Flüge“ besser tauglich zu machen. Man war sich der gefährlichen Auswirkungen der Droge damals durchaus bewusst, deswegen wurde Pervitin 1941, das (wie Ephedrin) u.a. als Mittel gegen Müdigkeit, zur Stimmungsaufhellung und als Asthmamittel verwendet wurde, rezeptpflichtig, jedoch erst 1988 ganz vom Markt genommen.

 

Es gilt heute fast als erwiesen, dass auch Hitler die Droge in den letzten zwei Kriegsjahren nahm – zumindest wird dies durch die US Psychiater Leonard und Renate Heston (s. Wikipedia Enzyklopädie) nach dem Studium der Gesundheitsakte Hitlers so gedeutet.

 

Nach 1945 fand Pervitin Einsatz im Vietnahmkrieg, wurde jedoch auch häufig zum Doping im Sport verwendet. Noch 2009 kam Andre Agassi in die Schlagzeilen, weil er in seiner Biografie zugegeben hatte, bis 1997 mehrfach zu Crystal Meth gegriffen zu haben. Ferner soll der österreichische Bergsteiger Hermann Buhl bei seinem Aufstieg zum Nanga Parbat Pervitin genommen haben.

 

Zur Pharmakologie (zitiert aus der Wikipedia Enzyklopädie)

 

„Verglichen mit Amphetamin kann N-Methyl-Amphetamin die Blut-Hirn-Schranke besser überwinden und in höheren Konzentrationen im Gehirn wirksam werden. Im Körper wird Methamphetamin durch das Cytochrom P450-Isoenzym CYP2D6 per N-Demethylierung zum Amphetamin (Hauptmetabolit) verstoffwechselt“…“ Der dopaminerge Anteil ist beim Methamphetamin noch stärker ausgeprägt … neben der höheren Lipophilie ein weiterer Umstand, der die stärkere Ausprägung des Rauschgefühls und des Suchtpotenzial gegenüber Amphetamin erklärt“. (Ende der Zitate).

 

In Europa findet die Substanz heute keinerlei medizinische Verwendung mehr, in den USA wird (S)-Methamphetamin-Hydrochlorid (Desoxyn) noch gelegentlich gegen Aufmerksamkeitsstörungen bei Erwachsenen und bei krankhaftem Übergewicht eingesetzt.

 

Crystal Meth gilt als die gefährlichste Droge mit irreversiblen Persönlichkeitsstörungen überhaupt (es werden Nevenzellen zerstört), eine besondere Gefahr ist zudem der niedrige Herstellungspreis. Derzeit gelingt es den Drogenfahndern besonders in Norddeutschland und in Sachsen kaum, dieser Drogensucht Herr zu werden. Anscheinend wird die Droge aus Tschechien eingeschleust. Crystal Meth wird nicht injiziert, sondern die Kristalle werden geschnupft, wodurch jegliche Dosiskontrolle zusätzlich erschwert ist.

 

(AR)

(18.4.2014)

 

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Quellen:

 

(1)  http://www.chemie.de/lexikon/Pervitin.html

(2)  Ogata A. alpha and beta-Aminoalkyl(aryl)benzenes and their derivatives. J Pharm Soc Jpn 1919;445:193-216; Nachdruck in: Chem Abstracts 1919;13:1709.

(3)  Ogata A. Constitution of ephedrine - Desoxyephedrine. J Pharm Soc Jpn 1919:451:751-64. Nachdruck in: Chem Abstracts 1920;14:475.

Pharmaka sind Wirkstoffe für therapeutische oder diagnostische Zwecke, allerdings gilt der von Paracelsus (1493-1541) geprägte Satz:

 

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei“.

 

Paracelsus machte sich bei seinen Vorlesungen in Basel oft unbeliebt weil er sie 1). auf deutsch hielt und 2). die vorherrschende Meinung der Humoralpathologie des Galen oft als Bücherweisheit medizinischer Gelehrter kritisierte.

 

 

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© Dr. Alfred Rhomberg