Ethik

 

 

(c) Wikipedia - Urheber: Eugene Ermolovich (CRMI), 29 September 2009: A human oocyte is held by a glass holding pipette (left). A beveled glass pipette containing an immobilized ejaculated spermatozoon is inserted through the zona pellucida.

 

 

 

 

Zur Ethik in den Natur- und Biowissenschaften

  

 

Durch die Verleihung des Nobelpreises für Medizin an den britischen Forscher Robert Edwards für seine Beiträge zur Entwicklung der Technik von In-Vitro-Fertilisationen(1) ist die mit Befruchtungen außerhalb des Mutterleibs verbundene Ethikdebatte wieder neu belebt worden.

 

In diesem Beitrag geht es nicht nur um diese spezielle Debatte – sondern  allgemein um den Zwiespalt zwischen wissenschaftlicher Forschung und der Akzeptanz dieser Forschung bei der Bevölkerung. Zu Ethikdebatten kommt es immer dann dann, wenn naturwissenschaftliche Forschung mit anderen Ethiken (z.B. religiösen Werten) kollidiert. Die anlässlich der Nobelpreisverleihung an Robert Edwards aufgeworfene Frage, ob Ethik sich der Forschung, oder umgekehrt, Forschung sich der Ethik anpassen soll, ist in der heute üblichen Vereinfachung bei vielen Antworten im Bereich der Forschung unsinnig und gleicht der alten Frage, was älter sei, „die Henne oder das Ei“.

 

Zur Ethik

 

Da es in der Natur grundsätzlich keine Ethik gibt, lassen sich für die Natur- und Biowissenschaften aus der Natur keinerlei ethische Richtlinien ableiten. Jede Art von Ethik ist eine gesellschaftliche Übereinkunft, die dem jeweiligen Wandel innerhalb einer Gesellschaft unterliegt.

 

Nach den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki kam es sehr bald zu einem  Verbot der Verwendung von Atomwaffen, jedoch nicht etwa weil religiöse ethische Werte tangiert wurden, sondern wegen der berechtigten Angst der Bevölkerung, dass Atomwaffen zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte es theoretisch möglich machten, die ganze Menschheit auszulöschen.

 

Auch die noch nicht abgeschlossenen Debatten zur friedlichen Anwendung der Kernenergie zur Energieerzeugung, kollidieren nicht direkt mit Werten der großen Weltreligionen. Auch hier stehen die Ängste der Bevölkerung im Vordergrund - man denkt an die Folgen der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima und weniger daran, dass Kernenergie - solange es noch keine wirklich ausgereiften Energiekonzepte gibt, auch wesentlich risikoärmer anwendbar sein könnte.

 

Anders ist dies in den Natur- und Biowissenschaften, bei denen eine einzige Entdeckung oder Erfindung eine fast augenblickliche Ethikdebatte hervorrufen kann, weil neue Fakten, die zum Teil wesentliche Grundsätze christlicher Ethik tangieren, dies verlangen.

Eine häufige Problemsituation ist auch die Frage „Mutter oder Kind“, wenn bei einer komplizierten Geburt nur entweder die Mutter oder das Kind gerettet werden kann. Würde die Mutter gerettet, wäre sie theoretisch in der Lage, ihre bereits vorhandenen Kinder erheblich besser zu erziehen als dies bei einer anderen Lösung der Fall wäre, andererseits verstößt dies gegen das aus christlicher Sicht verankerte Recht des Kindes auf "Leben" – auch wenn dieses noch nicht geboren ist.

 

Im Falle der Empfängnisverhütung und der Befruchtung außerhalb des Mutterleibes (künstliche Befruchtung) oder bei gentechnologischen Versuchen kommt es sehr schnell zu Ethikdebatten, selbst wenn auch hier eine differenzierte Betrachtung angebracht wäre. Hinsichtlich der Empfängnisverhütung durch Kondome ist die Reaktion der Kirche nach wie vor unverständlich, weil es hier nicht um die Zerstörung einer befruchteten Eizelle geht, da durch Kondome die Befruchtung verhindert wird. Die „Pille“ ist dagegen  ein ernsterer Konfliktpunkt, weil sie die Nidation (Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut) verhindert. Bei Befruchtungen außerhalb des Mutterleibes werden befruchtete Eizellen oder Embryonen sogar häufig abgetötet, weil von den einige Stunden/Tage vor der Rückverpflanzung in einer Art Brutschrank aufbewahrten Embryonen nur geeignete Zellen rückverpflanzt werden.

 

In der Gentechnologie und Stammzellenforschung stehen dann überhaupt alle Möglichkeiten offen, die von der Klonierung (siehe Dollyschaft) bishin zu einer nicht von „Gott gewollten“ Veränderung der Erbsubstanz führen können.

 

Sind humangenetische Eingriffe „unethisch“?

 

Nach der derzeitigen Auffassung der katholischen Kirche sind sie mit der christlichen Ethik nicht vereinbar, allerdings wird auch eine moderne Kirche nicht darum herumkommen, eine differenziertere Haltung einzunehmen.  Nicht verständlich ist z.B. das Verbot der Verwendung von multipotenten embryonalen Stammzellen bei Extrauterinschwangerschaften (Schwangerschaften von Embryonen außerhalb der Gebärmutter), weil diese nie überlebensfähig sind und es daher unweigerlich zu deren Tod kommt. Bei nichtembryonalen Stammzellen (z.B. aus Nabelschnurblut oder Knochenmark) gibt es derartige ethische Einwände nicht, trotzdem sind sie immer noch Teil der allgemeinen Ethikdebatte. Was die Möglichkeiten der Gentechnologie betrifft, so bestehen derzeit in breiten Bevölkerungsschichten die größten Bedenken und selbstverständlich erst recht bei den Kirchen – aber ist Gentechnologie deswegen schon grundsätzlich „unethisch“? Hier soll auf einen anderen Beitrag des Autors verwiesen werden(2) in welchem versucht wird, eine differenzierte Haltung zur Gentechnologie einzunehmen.

Die Debatte zur „wissenschaftlichen Ethik“ wird uns noch lange beschäftigen, weil im Gegensatz zu anderen Lebensbereichen, Erfindungen und Entdeckungen der Natur- und Biowissenschaften sich in unserer Zeit geradezu überschlagen. Jede Institution, die sich solchen Debatten durch reine Abwehrhaltung entzieht, wird auf längere Sicht Schaden nehmen.

 

Imgrunde liefen viele Fragen auf das Thema „Werkzeugherstellung“ hinaus – es gibt Werkzeuge zur Herstellung anderer Werkzeuge bzw. zur Reparatur von Schäden, zur breiten Anwendung für die Verbesserung von Dingen – aber auch zum Töten von Individuen.

 

Die alte Kant’sche Frage zur Ethik: „Was soll ich tun?“ muss im Falle der Natur- und Biowissenschaften sowohl von den Wissenschaften selbst, als auch von der Gesellschaft und den zuständigen Institutionen in vielen Fällen dringend, jedoch differenziert beantwortet werden.

 

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Anm.: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied im März 2010: wenn ein Staat künstliche Befruchtung zulässt, dann darf er auch die Eizellspende nicht verbieten. Das Gericht urteilte, es sei eine “nicht durch objektive und vernünftige Gründe zu rechtfertigende” Ungleichbehandlung, wenn man Paare, die eine Eizellspende benötigen, von der künstlichen Befruchtung ausschließt.

 

(AR)

 

(05.10.2010)


1) Planet-Wissen.de: Künstliche Befruchtung

2) Kulturforum Kontrapunkt (Alfred Rhomberg) Gentechnik - eine kritische Betrachtung

 

Pharmaka sind Wirkstoffe für therapeutische oder diagnostische Zwecke, allerdings gilt der von Paracelsus (1493-1541) geprägte Satz:

 

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei“.

 

Paracelsus machte sich bei seinen Vorlesungen in Basel oft unbeliebt weil er sie 1). auf deutsch hielt und 2). die vorherrschende Meinung der Humoralpathologie des Galen oft als Bücherweisheit medizinischer Gelehrter kritisierte.

 

 

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© Dr. Alfred Rhomberg