Alzheimerforschung
Neue Erkenntnisse der Alzheimer Forschung – steht die Forschung vor einem Durchbruch?
Bisherige Behandlungsstrategien der Alzheimerforschung zielten in erster Linie auf die so genannten Amyloid-Plaques ab. Diese Alzheimer-typischen Eiweißablagerungen bilden sich außerhalb der Nervenzellen. Die Bedeutung der Plaques für den Krankheitsprozess wird jedoch seit einiger Zeit kontrovers diskutiert. Völlig neue Ergebnisse wurden am 22. Oktober 2010 von Wirths et al. (2010) im Journal of Biological Chemistry online publiziert (siehe dazu weitere Quellen am Ende des Beitrags).
Prof. Dr. Thomas Bayer und Dr. Oliver Wirths, Alzheimerforscher in der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Göttingen, bei Mäusen gelungen, die Alzheimersche Erkrankung zumindest durch eine passive „Impfung“ zu stoppen. Hierfür setzen sie einen neuen Antikörper ein, der nicht auf die für die Alzheimer typischen Eiweißablagerungen im Hirn zielt, sondern eine besondere Molekülstruktur, welche die zerstörerische Kraft des Eiweißes „Pyroglutamat-Abeta“ stoppt. Warum an den bisherigen Vorstellungen Zweifel auftauchten, nämlich, dass ausschließlich die Plaques im Hirn Ursache der Erkrankung sind, beruhen auf einer berühmten amerikanischen Studie mit Nonnen. Mehr als 600 Nonnen wurden regelmäßig neurophysiologisch untersucht. Einige von ihnen entwickelten im Verlauf der Studie Alzheimer, es war jedoch überraschend, dass es auch vielen Nonnen „Plaques“ im Gehirn von Nonnen gab, die keinerlei Wahrnehmungs- oder Lernfähigkeitsbeeintächtigungen (als typische erste Anzeichen für die Alzheimer Erkrankung) aufwiesen. Prof. Bayer nimmt an, dass die Plaques eine Art Müllkübel für das giftige Abeta-Eiweiß sind. In früheren Studien an verschiedenen Tiermodellen hatten die Göttinger AlzheimerForscher bereits nachgewiesen, dass entgegen gesetzt zu den bisherigen Annahmen nicht die Plaques den Tod der Nervenzellen auslösen und fanden Beweise dafür, dass die zerstörerische Kaskade bereits viel früher und im Inneren der Nervenzellen in Gang gesetzt wird.
In der nun veröffentlichen Studie haben die Göttinger Wissenschaftler in einem von Prof. Thomas Bayer geführten internationalen Konsortium mit Kollegen von Synaptic Systems GmbH (Göttingen) und Wissenschaftlern aus Amsterdam, Berlin, Bonn, Helsinki und Uppsala eine völlig neuartige Struktur des Pyroglutamat-Abeta-Peptids entdeckt und spezifische Antikörper entwickelt. "Diese Antikörper sind weltweit die ersten, die eine lösliche, besonders toxische Abeta-Variante erkennen. Anders als die bisherigen Antikörper, die für Immunisierungen benutzt wurden, binden sie vor allem nicht an Plaques", sagt Prof. Bayer. Die neu entwickelten Antikörper erkennen besonders giftige Verklumpungen von Pyroglutamat-Abeta(1), so genannte „Oligomere“. Diese Oligomere häufen sich im Gehirn in Nervenzellen und an Blutgefäßen von Alzheimer Patienten an, was dort vermutlich zu Schädigungen der Blutgefäße führt. Die Folge ist, dass die Oligomere nicht mehr aus dem Gehirn abfließen können. "Wir können feststellen, dass die Spiegel der Oligomere im Blut von gesunden Personen hoch sind. Bei Alzheimer-Patienten lassen sich nur niedrige Oligomere-Spiegel im Blut finden, dafür sind sie im Gehirn aber viel höher", sagt. Dr. Oliver Wirths: "Damit eignen sich diese Antikörper als potentielle Biomarker für die Diagnose von Alzheimer im Blut und im Gehirn." In der aktuellen Studie konnten die Göttinger Forscher erstmals belegen, dass die passive Immunisierung mit einem Oligomer-spezifischen Antikörper, der die Plaques nicht erkennt, erfolgreich war. Im Tiermodell war der Antikörper therapeutisch wirksam und stabilisierte das Lernverhalten. Durch die passive Immunisierung werden Antikörper zugeführt, binden die giftigen Oligomere und machen sie unschädlich. "Mit dieser Form der passiven Impfung können wir vermutlich keine Heilung erreichen, aber unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Antikörper offenbar das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit stoppen", sagt Prof. Bayer.
(1) Amyloid beta (Aβ or Abeta) ist ein Peptid aus 36-43 Aminosäuren. Der Ausdruck Oligomere stammt aus der Polymerchemie und bedeutet, dass mehrere meist ähnliche chemische Moleküle mit einander verkettet sind. Abeta-ähnliche Oligomere werden auch bei anderen Demenzerkrankungen gefunden.
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Zu den Quellen: (abgerufen 2012, jedoch leider inzwischen, 2017, nicht mehr abrufbar)
Aus: medizin aspekte: „Therapie gegen Alzheimer: Göttinger Forscher entwickeln neuen Ansatz für passive Immunisierung“:http://www.medizin-aspekte.de/2010/11/395333_12595.html
„Alzheimer-Impfung könnte Krankheit stoppen“:http://www.gesundial.de/alzheimer-impfung-konnte-krankheit-stoppen-3684
(etwa gleichlautende Berichte sind inzwischen in vielen Fachmagazinen und Pressemitteilungen publiziert)
(AR)
(19.10.2012, Update 10.7.2017)