Gedanken zur Allergen-Kennzeichnungspflicht auf Speisekarten

 

Ab 13. Dezember 2014 tritt eine neue EU-Verordnung zur Kennzeichnung von Lebensmitteln in Kraft, insbesondere muss auf Allergene in Lebensmitteln (auch auf Speisekarten in Gastronomiebetrieben) hingewiesen werden. Das wirft einige Fragen zur Sinnhaftigkeit solcher Verordnungen auf.

 

Der Begriff Allergie beschreibt allgemein die Überempfindlichkeitsreaktionen, die durch eine Immunantwort gegen ansonsten harmlose Antigene ausgelöst werden. Es gibt mehrere Formen der Immunreaktionen, die entweder durch Antikörper oder aber durch T-Zellen ausgelöst werden. Darüber hinaus gibt es „Pseudoallergien“, die ähnliche Symptome zeigen, jedoch nicht immunologisch bedingt sind, aber im täglichen Leben ebenso ernst genommen werden müssen, wie echte Allergien. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, tiefer in die komplexe Materie der bekannten pathologischen Mechanismen bei echten Allergien nach Coombs und Gell einzudringen, hier soll hinterfragt werden, wie sinnvoll die Kennzeichnungspflicht nach der EU-Verordnung ist(1), wobei die Art der Kennzeichnung und deren Ausnahmen derzeit noch nicht geregelt ist.

 

Anm.: Bisher war die Allergenkennzeichnung nur für verpackte Lebensmittel verpflichtend.

 

Der Autor dieses Beitrags, selbst Allergiker (und bedingter Asthmatiker) will hier auf einige Punkte eingehen, die bei solchen allgemeinen Verordnungen über das Ziel hinausschießen, obwohl sicherlich auch Fachleute zu Rate gezogen wurden.

 

  1. Allergien sind häufig genetisch bedingt und daher angeboren, sie können jederzeit im Leben gegen praktisch jeden Stoff auftreten, wobei eine angeborene Disposition dies vielleicht begünstigt aber nicht davon abhängig zu sein scheint.

 

  1. Die meisten Allergien gehen heute nicht mehr von den klassischen Allergenen wie Pollen, ätherischen Ölen oder bestimmten tierischen Eiweißen aus, sondern von in jedem Haushalt im Überfluss vorhandenen Reinigungsmitteln (z.B. Waschmittel), Schönheitscremes, Duftstoffe aller Art etc. Alle diese Stoffe brauchen keine Zulassungsverfahren (wie etwa Arzneimittel), sie werden ja auch nicht auf Schädlichkeit getestet, insbesondere weil Tierversuche mit solchen Stoffen verboten sind. Es gibt daher auch keinerlei Hinweise auf eventuell allergene Inhaltstoffe auf den Verpackungen wie bei Lebensmitteln:

 

Zitat aus der Literaturstelle(1): „Von Allergien betroffene Personen sind beim Einkauf darauf angewiesen, zuverlässige Informationen über die Zusammensetzung der Lebensmittel zu erhalten.

Dabei stehen dem Allergiker bei verpackten Lebensmitteln grundsätzlich zwei Informationsquellen zur Verfügung, die nicht zu verwechseln sind:

Die Allergen-Kennzeichnung: Sie nennt die Zutaten, die zu den häufigsten Allergenen gehören. Diese Kennzeichnung ist Pflicht auf allen verpackten Lebensmitteln (Fertigpackungen)

 

Der Hinweis für Allergiker, dass eine mögliche Verunreinigungen mit Allergenen nicht auszuschließen ist. Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Angabe der Lebensmittelanbieter“.

 

  1. Bei unverpackten Lebensmitteln, z.B. Brotwaren, Fleischwaren, Feinkostwaren Gemüse, Obst etc. fehlen solche Hinweise und waren derzeit nicht vorgeschrieben. Bei unverpackten Lebensmitteln wird sich dies allerdings ebenfalls ab dem 13.12.2014 ändern, dann muss es auch hier Informationen über Allergene oder künstliche Zusatzstoffe geben – in welcher Form dies geschehen wird, ist noch nicht geregelt.

 

  1. Immer häufiger werden Tiefkühlwaren „vorgewürzt“ um den Verbrauchern die Arbeit des „Würzens“ zu ersparen. Auch hier wären theoretisch Allergien gegen Würzmittel denkbar, Hinweise dazu werden meist nicht angegeben. Erforderlich ist bei verpackten Waren allerdings die Angabe von 12 Stoffen, die ca. 90 % aller Allergien ausmachen(1), sofern sie in dem Produkt vorhanden sind. Wer jedoch gegen Gluten empfindlich ist, dem nützen die ergänzenden Angaben „Karmut, oder Dinkel“ nichts, er müsste alle Produkte kennen, die glutenhaltige Stoffe enthalten. Ähnlich ist dies bei Menschen die auf Laktose allergisch reagieren.

 

Die nachfolgende Zusatzstoffliste ist der Literaturstelle (1) entnommen:

  • Glutenhaltiges Getreide (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut oder Hybridstämme davon)
  • Krebstiere
  • Eier
  • Fisch
  • Erdnüsse
  • Soja
  • Milch und Milchprodukte (einschließlich Laktose)
  • Schalenfrüchte (Mandel, Haselnuss, Walnuss, Cashew, Pecannuss, Paranuss, Pistazie, Macadamianuss und Queenslandnuss)
  • Sellerie
  • Senf
  • Sesamsamen
  • Schwefeldioxid und Sulfite in einer Konzentration von mehr als 10 mg/kg oder 10mg/l
  • Lupinen
  • Weichtiere

Problematisch ist, dass der Hang vieler Menschen zu immer ausgefalleneren und exotischeren Nahrungsmitteln oder Gewürzmitteln stark im Zunehmen begriffen ist – asiatische oder türkische Gewürze und Früchte findet man heute nicht nur in Spezialgeschäften, sondern auch im Supermarkt und in vielen Gastronomiebetrieben. 

 

Wir haben uns daran gewöhnt, dass Lebensmittelfarbstoffe und andere notwendige Zusatzstoffe (Konservierungsmittel) auf den Verpackungen von Lebensmitteln vermerkt sind  – wenn die Liste der Stoffe jedoch den Umfang von Arzneimittel-Beipackzetteln annimmt, so ist das dem Verbraucher kaum zumutbar bzw. er beachtet die Hinweise nicht mehr.

 

Ein wichtiges Argument gegen eine übertriebene Auszeichnungspflicht für Allergene ist die elementare Logik:

 

Wer nicht weiß, ob und gegen was man allergisch ist, dem nützen auch die Hinweise auf bestimmte Allergene nichts, allerdings erleichtern heute die modernen Diagnoseverfahren und Tests, dass Allergiker meist wissen, auf welche alltäglichen Stoffe sie tatsächlich allergisch reagieren und meiden dann gewisse Nahrungsmittel ganz von selbst. Wichtiger als sämtliche denkbaren Allergene aufzuzählen, sind Hinweise, dass Lebensmittel frei von Stoffen sind, die bei vielen Verbrauchern Unverträglichkeiten hervorrufen, wie z.B. Laktose, Gluten oder Zucker. 

 

Zur Praktikabilität der Kennzeichnung auf Speisekarten

 

Man stelle sich ein „Hauben-Restaurant“ vor, bei dem der Küchenchef womöglich die Zutaten morgens am Gemüse- oder Fischmarkt selbst aussucht und der auch ungewöhnliche Gewürze und Zutaten für seine Speisen wählt: Ist es da wirklich vorstellbar, dass die Speisekarte alle erforderlichen Angaben zu den oft täglich wechselnden Gerichten und Desserts enthält? Wohl kaum! Sollte es sich um einen Gastronomiebetrieb in einem Tourismusgebiet handeln, so wären dann wohl auch Kennzeichnungen in mehreren Sprachen erforderlich?

 

Da genaue Vorstellungen über die Art der Kennzeichnung noch nicht vorliegen wäre es zwar denkbar, dass die oben genannten Haupt-Allergene in Form von Codes hinter jede Speise angebracht und die Codes an geeigneter Stelle auf der Speisekarte näher erklärt werden, wobei exakte Inhaltsangaben aus den oben angesprochenen Gründen wohl auch dann kaum möglich sind und vielleicht aus rechtlichen Gründen der ominöse Satz einer freiwilligen Kennzeichnung nach dem Muster zu finden ist: „Die Zusatzstoffe können auch nicht bekannte Allergene enthalten“.

 

Wir leben in einer Zeit, in welcher ernste Forschung und gesunde Lebensweise auf weniger Akzeptanz bei einem Großteil der Bevölkerung stoßen, als übertriebenes Sicherheitsbewusstsein, das durch überbordende Bürokratie und Verordnungen weitere  überflüssige Ängste schürt.

 

(AR)

(18.11.2014)   

 

Quelle:

(1) http://www.lebensmittelklarheit.de/informationen/allergen-kennzeichnung

 

 

 

 

Pharmaka sind Wirkstoffe für therapeutische oder diagnostische Zwecke, allerdings gilt der von Paracelsus (1493-1541) geprägte Satz:

 

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei“.

 

Paracelsus machte sich bei seinen Vorlesungen in Basel oft unbeliebt weil er sie 1). auf deutsch hielt und 2). die vorherrschende Meinung der Humoralpathologie des Galen oft als Bücherweisheit medizinischer Gelehrter kritisierte.

 

 

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© Dr. Alfred Rhomberg