Japanische u. indische Medizin - Ayurveda

 

 

 

 

 

 

 

Japanische und indische Medizin - Ayurveda

 

Über die traditionelle japanische Medizin soll hier nicht viel berichtet werden, weil sie weitgehend mit den Grundgedanken der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) übereinstimmt (siehe dieses Magazin). Letztere wurde in unterschiedlichen Epochen, teilweise über Korea nach Japan exportiert und ist schon sehr früh nachweisbar. Dies liegt daran, dass japanische Ärzte frühzeitig immer wieder nach China reisten, um dort Weihrauch und Arzneimittel auf den Märkten zu kaufen, einige von ihnen blieben als Ärzte in China (man kennt heute ihre Aufzeichnungen), andere kehrten nach Japan zurück. Einige eigenständige Elemente gibt es allenfalls in der „Heian-Periode“ Japans (794-1185 n.Chr.) – später wurde jedoch der Einfluss der TCM so groß, dass eine Trennung zwischen japanischer und chinesischer Medizin allenfalls für Sinologen in historischer Hinsicht, nicht jedoch medizinwissenschaftlich sinnvoll ist.

 

Vorab verdient es erwähnt zu werden, dass anatomische Versuche angeblich in Japan bereits in der Antike durchgeführt wurden, spätere Ärzte haben davon jedoch kaum Kenntnis genommen(1).

 

Die in der Fußnote geschilderten Fakten sind für das Thema des Beitrages insofern wichtig, weil sich die absoluten Verfechter der alten asiatischen Medizinformen meist nicht bewusst sind, dass sie sich auf Wissenschaften einlassen, die einem modernen Krankheitsverständnis in mancher Hinsicht nicht entsprechen. Der vorangegangene Beitrag über die traditionelle chinesische Medizin (TCM), sollte jedoch dazu beitragen, jenes Schwarz-Weiß-Denken zu relativieren, das jedem vorgeworfen werden muss, der die moderne Schulmedizin vollkommen ablehnt.

 

Ayurveda

 

Ayurveda bedeutet „Wissen vom Leben“. Wer die indische Medizin so betrachtet, dem wird sie bestimmt nicht schaden, denn Ayurveda ist weniger eine Medizin des Heilens, als vielmehr eine Medizin, Krankheiten zu vermeiden. Das Ziel ist die Vermeidung von ernsthaften Erkrankungen, indem man versucht, den Auslöser der Erkrankung zu verstehen und ungesunde Angewohnheiten zu vermeiden. Hierfür gibt es verschiedene Behandlungen, die vor allem dem Körper helfen sollen, „sich selbst zu helfen“.Die wesentlichen Methoden sind Ölmassagen und „Panchakarma“, das sind Methoden zur „Reinigung“. Ein weiteres Kriterium der indischen Medizin sind die „Doshas“ (Energien).

 

Panchakarma lässt sich etwa mit „fünffacher Handlung“ übersetzen und bedeutet, den Körper auf fünf verschiedene Arten zu behandeln bzw. zu reinigen. Bei diesen Reinigungen wird auch die jeweilige Konstitution des zu Behandelnden berücksichtigt. Dadurch werden die Lebensenergien (Doshas) wiederhergestellt. Grundsätzlich werden hierfür verschiedene Methoden zur Ausschleusung von Stoffwechselabbauprodukten, unverdauten Nahrungsbestandteilen und Umweltgiften, aber auch Methoden der geistigen Entschlackung (z.B. bei unverarbeiteten Konflikten) angewendet.

 

In unseren Breiten fallen einem da naturgemäß die vielgepriesenen Entschlackungskuren ein, die einen einzigen Fehler haben, nämlich, dass selten genau definiert wird, was man unter „Schlacken“ bzw. Entschlackung versteht. Wer unter dem Suchbegriff „Entschlackungskur“ in google sucht, findet etwa 208.000 Angebote, die teilweise derart abenteuerlich sind, dass man an seinem Verstand zweifelt. Oft wird versucht, eine Analogie zu Kohle- oder Holzverbrennungsrückständen durch geeignete Bilder zu suggerieren, was in sehr naiver Weise dazu anregen soll, fragwürdige „Entschlackungsmittel“ zu kaufen. Am ehesten lassen sich noch Behandlungsmethoden der Darmreinigung (z.B. durch Heilfasten) als „Entschlackung“ bezeichnen, die bei ungesunder Ernährung erforderlich sein können. Entschlackungsmittel, die auf das „Säure-Basen-Gleichgewicht“ abzielen, sind meist fragwürdig, besonders, wenn neben basischen Mineralien auch basische Bäder oder „basische Strümpfe“ angeboten werden. Der pH-Wert (eine chemische Messgröße für die Basizität oder den Säuregehalt einer Flüssigkeit) spielt zwar beim Harn eine wichtige Rolle, denn dieser Wert lässt Rückschlüsse auf die Nierenfunktion und Stoffwechselstörungen zu, gerade dieser pH-Wert wird jedoch durch die meisten angepriesenen Pseudo-Arzneimittel nicht beeinflusst. Der Gipfelpunkt einer Recherche war ein sogenannter Orgon Akkumulator für (nur) 1205.- Euro. Dass es sich dabei um ein etwa 1930 von Wilhelm Reich entwickeltes Gerät zur „Orgontherapie“ handelt, die von jeher als pseudowissenschaftlicher Unsinn gilt, spielt dabei keine Rolle um Gutgläubige etwas ärmer, aber nicht gesünder zu machen. Auch der Begriff „Blutentschlackung“ bedarf einer exakten Erklärung, weil es diesen Begriff in der Medizin eigentlich nicht gibt. Werden darunter von der Norm abweichende Blutparameter wie etwa zu hohe Cholesterin- bzw. Triglyceridspiegel oder zu hohe Blutzuckerwerte verstanden, so sind die meisten Entschlackungskuren ungeeignet, weil ein nachweisbarer Effekt nur durch geeignete und wissenschaftlich geprüfte Arzneimittel – oder aber durch eine Veränderung der Lebensweise möglich ist. Genau an diesem Punkt, beginnen die Vorstellungen der Aryurveda-Medizin sinnvoll zu werden.

 

So ist u.a. die Ernährungslehre der Ayurveda-Medizin, die meist auch auf den konstitutionellen Typ eines Menschen abgestimmt ist, eine durchaus vernünftige Anleitung zu gesünderen Ernährungsgewohnheiten:

 

- nur bei Hunger essen

- keine Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen

- die Hauptmahlzeit mittags einnehmen

- nie in unruhiger Gemütsverfassung essen

- mindestens drei Stunden Pause zwischen den Mahlzeiten einlegen

- sich nicht völlig satt essen

- frische Lebensmittel essen

- Wasser (auch erwärmtes) und Kräutertee trinken

-  alle fünf Geschmacksrichtungen sollten in jeder Mahlzeit enthalten sein

 

Wer diese Ernährungsregeln näher betrachtet, wird feststellen, dass es dafür allerdings keiner asiatischen Medizin bedarf – es sind Regeln, die wir modernen Europäer und die meisten Einwohner von Industriestaaten einfach nur vergessen haben, obwohl sie früher auch für uns selbstverständlich waren.

 

Auch die entspannenden Massagen mit Ölen sind keine Wundermittel, sondern passen durchaus in unsere Vorstellungswelt. Dass solche Massagen kunstgerecht ausgeführt werden müssen ist kein Novum der indischen Medizin. Leider haben aus Indien eingeführte Arzneimittel oft Verunreinigungen von Schwermetallen wie Blei, Arsen und Quecksilber. Längere Behandlungen gegen Arthritis mit solchen Arzneimitteln haben nachweislich zur Verschlechterung des Allgemeinbefindens geführt. In Sri Lanka unterliegen solche Arzneimittel strengen Kontrollen, bei uns sollten kontrollierte Arzneimittel am ehesten in Apotheken der Schweiz gekauft werden. Bestellungen aus dem Versandhandel im Internet sind gerade bei solchen Substanzen wenig ratsam.

 

Zum Teil anfechtbar ist die Zuordnung des Menschen nach verschiedenen Konstitutionstypen (Vata, Pitta, Kapha). Solche Zuordnungen hat es auch im modernen Europa immer gegeben, oft handelt es sich dabei um eine Zuordnung nach Art der veralteten Kretschmer’schen Typenlehre(2).

 

Ebenfalls anfechtbar sind verschiedene Varianten der asiatischen Medizin bezüglich der Zuordnung von Charaktertypen zu den Grundelementen (Choleriker zu Luft, Melancholiker zur Erde, Sanguiniker zum Feuer und Phlegmatiker zu Wasser). Solche Vorstellungen waren in der Antike allgemein üblich, auch der griechische Arzt Galenos hat etwas modifizierte Zuordnungen von Elementen, Qualitäten und Körpersäften zu bestimmten Temperamenten beschrieben und bereits Hippokrates (ca. 460-377 v. Chr.) war Anhänger der „Säftelehre“ bei welcher er den Körper in einem Zusammenhang von Mikrokosmos und dem ihn umgebenden Makrokosmos sah.

 

Allen traditionellen asiatischen Formen der Medizin liegt die ganzheitliche Betrachtung des Menschen zugrunde, bei der wie mehrfach erwähnt, das psychosoziale Umfeld eines Menschen mitberücksichtigt wird. Dass diese Sichtweise auch unserer westlichen Medizin nicht fremd war und gerade in letzter Zeit wieder an Bedeutung gewonnen hat, ist bekannt. Wir wissen heute, dass Konflikte oder übertriebener Stress Einfluss auf das Immunsystem haben können – daher sollten wir unsere eigenen Wurzeln und Neuerkenntnisse nicht so gering schätzen, wie dies vielfach heute modern ist. Menschen werden nicht dadurch gesund, dass sie sich teuren Behandlungsmethoden mit ständig neuen, schweraussprechbaren asiatischen Namen unterwerfen, sondern dass sie ihre Lebensweise überdenken, und sich nicht ständig mit anderen in stetigem Konkurrenzkampf vergleichen oder übertreffen wollen.

 

Last but not least muss die Schulmedizin trotz ihrer heute unverzichtbaren Hightechnikmethoden, wieder daran erinnert werden, dass ihre computergesteuerten medizinischen Maschinen letztlich Menschen analysieren und das persönliche Arzt- Patientenverhältnis oft fehlt.

 

Jedem Schulmediziner würden Pflichtseminare in Psychologie und in Hospizkliniken (statt dem „Absolvieren“ verschiedener Abteilungen in modernen Kliniken) mehr nützen, als es der moderne Ausbildungsbetrieb an medizinischen Universitäten heute bietet.

 


 

(1)   Solche Versuche wurden auch im alten Ägypten bereits praktiziert und obwohl Operationen am Gehirn durch Trepanation (Eingriffe mit Durchbohrung der Schädeldecke) dort nachweisbar sind, waren die anatomischen Kenntnisse der ägyptischen Ärzte wohl nicht sehr groß. In der Antike war Alexandria der einzige Ort, an dem Humansektionen erlaubt waren. Aus diesem Grund hielt sich der berühmte Arzt Galenos (129-216 n.Chr.) als 19 jähriger dort auf, um anatomische Kenntnisse zu lernen. Nach seiner Rückkehr nach Griechenland hat er selbst vermutlich keine Anatomieversuche mehr durchgeführt, denn schon zu dieser Zeit gab es erhebliche ethische und juristische Bedenken gegen die Humansektion. Die erste Humansektion in Europa ist 1286 in Cremona nachgewiesen. Aufgrund des Verbotes solcher Versuche durch die Kirche konnten auch wichtige Grundlagen der Medizin, wie z.B. der Blutkreislauf erst wesentlich später erforscht werden. Zwar kannte bereits Galenos den Unterschied zwischen hellem (arteriellem Blut ) und dunklem Blut (Venenblut), der arabische Arzt Ibn an-Nafir erkannte, dass das Blut in einem Kreislauf durch die Lunge fließt, jedoch erst 1628 wurde der Blutkreislauf von William Harvey exakt beschrieben.

 

(2)   Die Zuordnung von Körperbau und Charakter, bzw. die Prävalenz verschiedener Körper und Charaktertypen zu psychoanalytischen Störungen oder bestimmten Formen psychiatrischer Erkrankungen ist wissenschaftlich nicht genügend beweisbar, ebenso wenig wie die veraltete Kretschmer’sche Typenlehre.

 

  

 

(AR)

 

(Version 10.11.2012)

 

 

Pharmaka sind Wirkstoffe für therapeutische oder diagnostische Zwecke, allerdings gilt der von Paracelsus (1493-1541) geprägte Satz:

 

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei“.

 

Paracelsus machte sich bei seinen Vorlesungen in Basel oft unbeliebt weil er sie 1). auf deutsch hielt und 2). die vorherrschende Meinung der Humoralpathologie des Galen oft als Bücherweisheit medizinischer Gelehrter kritisierte.

 

 

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© Dr. Alfred Rhomberg