Das Designer Chromosom synIII – von der Theorie zur Praxis

 


 

Am 27.3.2014 konnte man in verschieden renommierten Tageszeitungen Berichte finden, dass zum ersten Mal ein Hefe-Chromosom künstlich synthetisiert wurde. Die Arbeiten basieren auf einer Arbeit in Science – „Total Synthesis of a Functional Designer Eukaryotic Chromosome“(1) bzw. gnobb.org(2).

 

Zwar haben in den letzten fünf Jahren viele Wissenschaftler bakterielle Chromosomen und virale DNA in Hefezellen eingebaut, dies ist jedoch der erste Bericht über die Synthese eines ganzen eukaryotischen (s. Anm.) Chromosoms, jener fadenförmigen Struktur, welche die Gene im Zellkern aller pflanzlichen und tierischen Zellen aufweisen.

 

Anm.: Eukaryoten sind alle Lebewesen in deren Zellen sich ein Zellkern befindet, im Gegensatz dazu befinden sich die DNA-Doppelstränge in Prokaryoten (die keinen Zellkern haben) als Erbinformationen im Zytoplasma der Zelle.

 

Auch wenn es viel Zeit bedarf, bis aus den Arbeiten von Jef Boeke, PhD, Direktor der NYU Langone Medical Center Institut für Systemgenetik und Pionier in der synthetischen Biologie für den Menschen anwendbare „Produkte“ oder sogar therapeutisch einsetzbare Behandlungsmöglichkeiten entstehen, ist diese Arbeit, die durch die Zusammenarbeit vieler Studenten zustande kam, ein Meilenstein. "Es ist das am weitesten veränderte Chromosom das je gebaut wurde“, so Jef Boeke, wobei der eigentliche Meilenstein darin besteht, das Chromosom in eine lebende Hefezelle zu integrieren. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Hefe-Zellen, die dieses synthetischen Chromosom enthalten bemerkenswert normal verhalten. Sie verhalten sich fast genauso wie wilde Hefe-Zellen, besitzen aber jetzt neue Fähigkeiten, die wilde Hefe nicht besitzt.

 

Allgemein erwartet man sich bei solchen Arbeiten der synthetischen Biologie die Gestaltung neuer Mikroorganismen, Medikamente, Rohstoffe für Lebensmittel oder sogar Biokraftstoffe (auch Hefen, die bei höherem Alkoholgehalt bei der Hefegärung wirksam bleiben, sind angedacht).

 

"Unsere Forschung bewegt den Zeiger in der synthetischen Biologie von der Theorie zur Realität", sagt Jef Boeke. In dem Beitrag wird darüber berichtet, wie mittels Computer-Aided Design das funktionstüchtige Chromosom (synIII) entstand und erfolgreich in Bierhefe Saccharomyces cerevisiae integriert wurde.

 

In siebenjähriger Arbeit hat das Forscherteam durch zahllose Versuche festgestellt, dass in der nativen Bierhefe, die 316.667 Basenpaare aufweist, durch mehr als 500 Eingriffe an der genetischen Basis der Hefe rund 47.841 DNA-Basenpaare für die Fortpflanzung der Hefe unnotwendig sind. Bei diesen Versuchen wurden auch Basenpaare und sogenannte „springende Gen-Segmente“ erkannt und entfernt, die nicht zur Codierung bestimmter Proteine erforderlich sind und vermutlich durch zufällige Mutationen entstanden. Bemerkenswert ist daher, dass trotz ca. 50.000 vorgenommener Änderungen die Hefeprodukte des Arbeitsteams überlebten, wobei u.U. eine falsche Änderung genügen könnte um die Zelle abzutöten. Im Endeffekt entstand eine „winterharte“ Hefe mit neuen Eigenschaften.

 

Die gewaltige Aufgabe wurde unter Beteiligung von 60 Studenten des an der John Hopkins Universität gegründeten „Build a Genome“- Projektes unter der Team-Leitung von Scrinivasan Chandrasegaran, PhD, Professor an der Johns Hopkins Universität durchgeführt. Was mit dieser Gruppe von Studenten begann, hat sich zu einer internationalen Gruppe  akademischer Forscher (genannt Sc2.0) entwickelt, um das gesamte Hefe-Genom zu rekonstruieren. An diesen Arbeiten sind Forscher aus Australien, Singapur, China, Großbritannien und verschiedenen US-Universitäten beteiligt.

 

Das Hefe Chromosom III wurde für die Synthese ausgewählt, weil es zu den kleinsten der 16 Hefe-Chromosomen gehört, welche die Paarung von Hefezellen steuern. Genauere Details, insbesondere zur Detaillierung des Landmark Forschungsprozesses, können den Arbeiten in „Science“ (1) und gnobb.org (2) entnommen werden.

 

(AR)

(28.3.2014)

 

Quellen:

 

(1)  http://www.sciencemag.org/content/early/2014/03/26/science.1249252 (abstract)

 

(2)  http://gnobb.org/total-synthesis-of-a-functional-designer-eukaryotic-chromosome/

Pharmaka sind Wirkstoffe für therapeutische oder diagnostische Zwecke, allerdings gilt der von Paracelsus (1493-1541) geprägte Satz:

 

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei“.

 

Paracelsus machte sich bei seinen Vorlesungen in Basel oft unbeliebt weil er sie 1). auf deutsch hielt und 2). die vorherrschende Meinung der Humoralpathologie des Galen oft als Bücherweisheit medizinischer Gelehrter kritisierte.

 

 

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© Dr. Alfred Rhomberg