EPO – rekombinant hergestelltes Erythropoetin

 

 

Erythropoetin - Kalottenmodell (vom Urheber freigegebenes Bild)

 

 

Alle Welt spricht von EPO - was ist das eigentlich?

 

 

 

EPO (Erythropoetin) ist ein Hormon, dass die Entstehung von roten Blutkörperchen anregt. Im Organismus wird das Hormon hauptsächlich in der Niere und in den umgebenden Nierenkanälchen erzeugt, von dort aus wirkt es über den Blutkreislauf auf die Stammzellen im Knochenmark, aus denen kontinuierlich neue Blutzellen gebildet werden, wobei EPO die Ursache ist, dass daraus die roten Blutkörperchen (Eythrozyten) und zwar 200 Milliarden (!) täglich entstehen. Allerdings hat EPO, außer seiner Funktion zur Herstellung der roten Blutkörperchen, auch viele andere Funktionen, u.a. im Hippocampus (eine wichtige Hirnregion), die besonders anfällig für durch Sauerstoffmangel verursachte Hirnschäden ist.

 

In der medizinischen Therapie und als Dopingmittel wird kein natürliches EPO verwendet, da dessen Gewinnung viel zu aufwendig wäre und die in der Therapie benötigten Mengen nicht auf natürlichem Wege hergestellt werden könnten. Die neuen EPO-Präparate, sogenannte rekombinante Erythropoetinpräparate werden gentechnisch hergestellt. Rekombinant (1) hergestellte Eiweiße (Proteine) werden mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen, z.B. mit Hilfe des Darmbakteriums Escherichia coli in großen Behältern (ähnlich den Behältern der Bierherstellung) gezüchtet. Auch gentechnisch veränderte Säugetierzellen (meist von Hamstern) sind zur Herstellung von rekombinanten Eiweißen, darunter auch EPO geeignet. Dies war erst möglich, als es der US Firma Amgen 1983 erstmalig gelang das menschliche EPO-Gen zu identifizieren – zur Klonierung und Vermehrung dieses Gens war es dann nur noch ein kleiner Schritt. 1983 gelang die Herstellung mittels Escherichia coli Bakterien, 1985 gelang die großtechnische Produktion von rekombinantem EPO dann auch mittels Säugetierzellen. 1989 brachte Amgen das erste rekombinant hergestellte EPO unter dem Namen Epogen in den Handel. Studien belegten, dass das rekombinante EPO wesentlich besser zur Behandlung anämischer Krebspatienten (mit zu niedriger Zahl an roten Blutkörperchen) und Nierenpatienten geeignet ist, als durch Bluttransfusionen.

 

Auch andere Firmen arbeiteten an EPO, z.B. die US Firma Johnson&Johnson mit einer Amgen Lizenz und etwa zur gleichen Zeit forschte auch der deutsche Pharmakonzern Boehringer Mannheim an rekombinantem EPO mit etwas unterschiedlicher Struktur (Erythropoetin ß, das Epogen von Amgen enthält Erythropoetin alpha). Die Voraussetzungen dafür waren bei Boehringer Mannheim gut, weil die Firma in Oberbayern ein biochemisches Forschungsinstitut mit einschlägigem Knowhow und entsprechende Produktionsanlagen besaß. Trotzdem betrat die Firma spannendes Neuland, insbesondere bei der Reinigung und der Anatytik von EPO-Präparaten. Das erste Boehringer EPO-Präparat (ein Erythropoetin ß) wurde unter dem Namen NeoRecormon 1990 in Europa und 1997 (als Boehringer von Hoffmann LaRoche aufgekauft wurde) als Roche-NeoRecormon in Europa vertrieben. In Japan stellt die Firma Chugai, ein seit 2002 zu Hoffmann-La Roche gehöriges Pharmaunternehmen ebenfalls seit 1990 ein Erythropoetin-β-Präparat unter dem Handelsnahmen Epogin her. Inzwischen sind viele Patente für EPO abgelaufen, sodass es auch zahlreiche Nachahmerfirmen gibt.

 

Anm.: Problematisch für Boehringer Mannheim war zunächst, dass obwohl es sich bei NeoRecormon um ein neues Präparat handelte, vermutlich Amgenpatente tangiert werden könnten, was auf diesem Gebiet der Forschung nie ganz ausgeschlossen werden kann. Der Schweizer Konzern Roche einigte sich später mit der Firma Amgen, sodass NeoRecormon ohne Gefahr komplizierter Patentstreitigkeiten unter diesem Namen in Europa vertrieben werden darf.

Da Boehringer Mannheim sich neben Herzkreislaufpräparaten und Antidiabetica auch mit Nierenerkrankungen, insbesondere der Behandlung chronischer Pyelonephritis beschäftigte (Nierenentzündung, die zur Nierenschrumpfung und Ausfall der Nierenfunktion führt), war die Aussicht mit EPO ein Mittel zu finden, welches Dialysepatienten, d.h. Patienten, die sich wegen mangelnder Nierenfunktion zur Blutreinigung harnpflichtiger Substanzen zwei bis dreimal wöchentlich einer Blutwäsche (Dialyse) unterziehen müssen, ein erstrebenswertes Ziel zur Linderung der Folgen der Dialyse, weil bei der Dialyse rote Blutkörperchen in hohem Maße geschädigt werden.

 

EPO Präparate der nächsten Generation

 

Weil sich EPO-Präparate wie NeoRecormon so gut bewährt haben, wird die EPO-Forschung aus zwei Gründen weiterbetrieben: 1) sucht man nach noch wirksameren und verträglicheren Präparaten und 2). wurden inzwischen viele interessante neue Anwendungsgebiete für EPO in Studien nachgewiesen.

 

Anm.: Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits 1989 eine besondere Nomenklatur für rekombinante EPO-Varianten eingeführt, nach der alle Substanzen mit dem gleichen Wirkmechanismus wie Erythropoetin mit dem Wortstamm „poetin“ versehen sein müssen. Alle „Poetin“-Wirkstoffe haben die gleiche Aminosäuresequenz wie menschliches (humanes) Erythropetin und weisen die gleichen Disulfidbrücken und Glykosylierungsstellen auf. Alle rekombinanten EPO-Varianten unterscheiden sich vom natürlichen Erythropoetin nur durch die Zusammensetzung der Zuckerstrukturen (Kohlehydratstrukturen) die das Molekül enthält. Den einzelnen Varianten wird ein griechischer Buchstabe an das Wort Erythropoetin angehängt (alpha, beta gamma etc.).

 

Anwendung von EPO-Präparaten

 

Die klassische EPO-Therapie wird, wie oben erwähnt, bei nierenbedingter Anämie (auch nach Dialyse) und bei Anämien verwendet, die nach einer Chemotherapie oder Radiumbestrahlung bei Tumorpatienten auftreten.

 

Ersten Versuche zufolge ist EPO in hochdosierter Form auch bei fortschreitender Multipler Sklerose, aber möglicherweise auch nach Auftreten eines Herzinfarktes und bei anderen Erkrankungen hilfreich. Dies muss jedoch erst durch genaue klinische Studien weiter erforscht werden.

 

EPO als Dopingmittel

 

Es ist leicht einzusehen, dass EPO besonders bei Sportarten die Kraft- und Ausdauer erfordern und daher zu Sauerstoffmangel führen, ein erfolgreiches (verbotenes) Dopingmittel ist, weil EPO durch die Vermehrung der roten Blutkörperchen, welche den Sauerstofftransport bewirken, eine erhöhte Leistung bzw. Ausdauer verschafft.

Darin liegen auch die analytischen Möglichkeiten EPO-Doping nachzuweisen. Nicht nur die Feststellung einer überhöhten Erythrozytenzahl deutet auf EPO hin, wegen der geringfügigen Unterschiede aller EPO-Präparate zu natürlichem EPO kann heute auch eindeutig rekombinantes EPO im Blut eines Sportlers erkannt werden.

Da EPO ein Arzneimittel ist und wie alle Arzneimittel Nebenwirkungen haben kann, ist die dauerhafte Anwendung bei gesunden Menschen gefährlich.

 

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(1) Rekombinante Proteine sind biotechologisch hergestellte Proteine, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Organismen oder mit transifizierten Zellkulturen erzeugt wurden. „Transient“ bedeutet in der Gentechnik ein Gen, das von einer Zelle zwar als ein Plasmid aufgenommen, aber nicht ins Genom eingebaut wird.

 

(AR)

 

(Version 15.4.2012)

 

 

Pharmaka sind Wirkstoffe für therapeutische oder diagnostische Zwecke, allerdings gilt der von Paracelsus (1493-1541) geprägte Satz:

 

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei“.

 

Paracelsus machte sich bei seinen Vorlesungen in Basel oft unbeliebt weil er sie 1). auf deutsch hielt und 2). die vorherrschende Meinung der Humoralpathologie des Galen oft als Bücherweisheit medizinischer Gelehrter kritisierte.

 

 

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© Dr. Alfred Rhomberg