„Rauchen kann tödlich sein“ – Gedanken zum Rauchen
Die EU hat beschlossen, dass ab 2016 alle Zigarettenpackungen statt der bisherigen Aufdrucke, wie z.B. „Rauchen kann tödlich sein“, mit furchterregenden Bildern versehen sein müssen – wie abschreckend sind solche Bilder?
Der Autor von "PHARMA SELECTED" möchte diesen Beitrag mit Gedanken aus eigenen Erfahrungen beginnen.
Als in der ersten Klasse der Bundesoberrealschule Innsbruck (eine Art Realgymnasium) im Naturgeschichtsunterricht der „Mensch“ behandelt wurde, sahen wir als Erstklässler zum ersten Mal aufklappbare Bilder des Menschen und in das Innere der Species Mensch hinein, zusätzlich wurden uns in Formalin aufbewahrte wichtige Organe gezeigt, u.a. eine normale Lunge im Vergleich mit einer schwarzfarbigen Raucherlunge. Ich könnte nicht behaupten, dass dieser Vergleich eine abschreckende Wirkung auf uns ausgeübt hatte, dazu waren wir zu jung – der Anblick der Raucherlunge hätte uns jedoch auch in der achten Gymnasialklasse nicht vom Rauchen abgehalten (man begann damals wesentlich später mit dem Rauchen als heute – ich war längst 17, als ich zur ersten Zigarette griff). Nach der Matura (Abitur) begann ich sofort mit dem Chemiestudium und als ich das erste Mal den Saal der Anorganischen Chemie im alten Institut des Chemischen Institutes für Chemiker und Pharmazeuten in Innsbruck betrat, machte mich dieses Erlebnis zum Nichtraucher.
In dem großen Laboratoriumssaal arbeiteten fast 100 Chemiker und Pharmazeuten (meist Pharmazeutinnen - Chemikerinnen gab es damals nur wenige). Beim Eintritt in diesen Saal mit nur 5 Abzügen konnte man die KollegInnen am Ende des Saales wegen der weiß-ätzenden Dämpfe nicht mehr erkennen. Ich wusste, dass ich jetzt mindestens vier Jahre täglich 8 bis 9 Stunden in diesem Saal arbeiten musste und es wurde mir sofort klar, dass sich diese gesundheitliche Belastung und das Zigarettenrauchen nicht günstig auswirken würden, weshalb ich das Rauchen sofort stoppte (nach nur 6 Monaten Zigarettenkonsum, ist der Verzicht bekanntlich noch recht leicht).
Als ich in die Forschung der pharmazeutischen Großindustrie eintrat (1966), waren praktisch alle Inhaltsstoffe und schädlichen Folgen des Rauchens bereits bekannt – die krebserregende Wirkung des Zigarettenrauch-Inhaltstoffes von Benzo(a)pyren war schon während meines Studiums der organischen Chemie bekannt und es gab sogar bereits Hypothesen, worauf die Karzinogenität beruhen könnte, nämlich auf „radikalischen“ Wasserstoffatomen eines Bereichs des Benzopyren-Moleküls – allerdings war klar, dass es unter den vielen Teerinhaltstoffen wohl auch andere Karzinogene gab.
Zu Beginn meiner Industrieforschungstätigkeit waren die Aschenbecher in der Bibliothek der Forschungsabteilungen stets voll gefüllt – 20 Jahre später waren diese Aschenbecher leer – es hatte offenbar ein Lernprozess stattgefunden. Auffallend war für mich, dass fast alle jüngeren Chemiker das Rauchen aufgegeben hatten, während hingegen die medizinischen Kollegen meist noch weiterrauchten. Auch heute ist der Autor verwundert, wie viele Ärzte rauchen, obwohl sie es ihren PatientInnen verbieten!
Traurige Bilanz: Von 200 Mitarbeitern der Forschungsabteilung meiner Firma starben 6 an Lungenkrebs (alles starke Raucher), was auch anderen Statistiken der Gesamtbevölkerung Deutschlands bezüglich des Rauchens entspricht.
Zur abschreckenden Wirkung der Zigarettenpackungen
Selbst wenn die großen Zigarettenhersteller von einem Verlust von ca. 1,5 Mio Arbeitsplätzen (weltweit) sprechen, dürfte die tatsächliche Abschreckung eher gering sein. Besonders die Jugend, die bekanntlich heute sehr viel früher (vielfach im Teenageralter) mit dem Rauchen anfängt, lässt sich durch solche Bilder wohl nicht beeindrucken, man findet Rauchen ganz einfach „cool“. Da das spätere „Abgewöhnen“ ganz wesentlich von der Länge der Zeit in der geraucht wurde und die Schädlichkeit des Rauchens von der Zahl der täglich gerauchten Zigaretten abhängt, treten die bekannten schädigenden Wirkungen (Bonchialkarzinom, Artheroskerose, Herzinfarkt) heute wesentlich früher auf. Dabei beunruhigt es besonders, dass auch Mädchen bereits in jungen Jahren mit dem Rauchen beginnen, was insgesamt dazu beiträgt, dass auch Frauen zunehmend die genannten Schädigungen erleiden werden. Es ist eindeutig belegt, dass die Lebenserwartung durch Rauchen je nach Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten und der „Raucherjahre“ zwischen 6 und 10 Jahren abnimmt. Nach dem Absetzen des Rauchens bedarf es mindestens 15 Jahre Totalabstinenz, bis wieder die statistische Lebenserwartung erreicht wird.
Es braucht auf Grund der Leserstruktur von „PHARMA SELECTED“, außer auf den in der Anmerkung aufgezählten Erkrankungen, nicht eingegangen werden, die mit dem Rauchen in Zusammenhang stehen, interessanter sind vielleicht einige statistische Details.
Anm.: Bei den durch Rauchen bekannten Erkrankungen stehen zweifellos Bronchialkarzinom und arteriosklerotische Erkrankungen (bishin zum Herzinfarkt), Lungenemphyseme im Vordergrund, daneben zählen Asthma, Erkrankungen des Immunsystems, Diabetes II oder sogar Multiple Sklerose zu möglichen Folgeerkrankungen. Zusätzlich sind auch DNA- bzw. Chromosomenveränderungen nachgewiesen.
Statistik
Der Anteil von Rauchern ist eng mit den sozialen Schichten einer Gesellschaft verbunden, so berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2004, dass es in China unter Menschen ohne Schulbildung siebenmal mehr Raucher gibt, als unter Menschen mit Hochschulabschluss. Nun kann man China nicht unbedingt mit unseren modernen Industrienationen vergleichen, eine ähnliche Tendenz ist aber zweifellos vorhanden.
Hierzu ein Zitat aus der Wikipedia-Enzyklopädie: Mitte der 60er Jahre betrug der Raucheranteil in Deutschland in der Oberschicht und der Mittelschicht noch jeweils mehr als 40 %, bis 2010 hat er sich in der Oberschicht mehr als halbiert und liegt nur mehr bei 19 %, in der Mittelschicht ist er um ca. ein Drittel auf nun 29 % gesunken. Demgegenüber ist das Zigarettenrauchen in den unteren sozialen Schichten heute mit rund 34 % noch genauso so verbreitet wie Mitte der 70er Jahre. (Ende des Zitats)
Wenn man die Preise von Zigaretten berücksichtigt, so betragen die Kosten des Zigarettenkonsums bei Niederlohnberufen oft ca. 1300-1400 Euro pro Jahr, was durchaus 10–20 % des Jahreseinkommens entsprechen kann.
Das Rauchverhalten in verschiedenen Ländern
Der Anteil der Raucher an der Bevölkerung (Alter über 15 Jahre) einiger Länder: An der Spitze liegt Griechenland mit 43 %, Österreich 42 %, Italien 30 %, Deutschland 26% (EU-Durchschnitt 32 %), USA nur 21 %.
Abhängigkeit, Suchtverhalten und das schwierige Problem der Entwöhnung
Die Abhängigkeit von Tabakerzeugnissen hängt nicht nur vom Nicotingehalt, sondern auch verschiedenen Tabakbegleitstoffen ab. Das Abhängigkeitspotenzial von Tabakrauch liegt etwa zwischen Alkohol und Kokain (D.Nutt et al, 2007). Die Bioverfügbarkeit von Nicotin ist unglaublich groß – ein Teil des Nicotins erreicht in 10 – 20 Sekunden(!) das Gehirn und wirkt dort auf nicotinerge Acetylcholinrezeptoren, die bestimmte Botenstoffe freimachen und insbesondere durch Dopamin einen „Belohnungseffekt“ verursachen der sogar zu einem „Lernprozess“ führt und es so schwierig macht, sich das Zigarettenrauchen wieder abzugewöhnen, selbst wenn gar kein Nicotin mehr aufgenommen wird. Die psychische Abhängigkeit bleibt auch nach Jahren bestehen und die Rückfallquote ist ohne starken Willen enorm hoch. Die psychische Komponente ist es auch, wenn ehemalige RaucherInnen in Gegenwart von rauchenden Personen fast reflexartig wieder zur Zigarette greifen.
Die Zahl der Seminarangebote die RaucherInnen die Entwöhnung (gelegentlich auch unter Hypnose) versprechen, ist riesig – einige mögen seriöse Erfolge vorweisen, solche Angebote zu finden ist jedoch schwierig. Die homöopathische Behandlung mit „Globuli“ oder Bachblüten hält der Autor für unsinnig. Akkupunktur mag in einigen Fällen erfolgreich sein – wirkliche Erfahrungen liegen jedoch nicht vor.
Ganz unsinnig ist der Versuch, sich das Rauchen durch Zigaretten mit vermindertem Nicotingehalt in Form von „Zigaretten light“ abzugewöhnen. Filterzigaretten mögen einen Teil der karzinogenen Teerbegleitstoffe zu reduzieren, der Nicotingehalt bleibt jedoch das eigentliche Problem. Dies gilt auch für die vielen „Nicotinpflaster, Inhalatoren etc. Die meisten enthalten geringe Mengen an Nicotin und lösen damit das psychische Problem nicht. Auch das schrittweise Reduzieren der Anzahl an täglich gerauchten Zigaretten ist nicht zielführend, weil wie oben beschrieben, der psychische Effekt auch dann lange nachwirkt, wenn dem Gehirn gar kein Nicotin mehr zugeführt wird. Frauen sind beim Eintritt einer Schwangerschaft heute relativ verantwortungsbewusst und haben daher eine ausgezeichnete Chance, nach der Geburt nicht wieder mit dem Rauchen anzufangen.
Insgesamt ist und bleibt die Abgewöhnung vom „Rauchvergnügen“ ein schwieriger Prozess, bei dem abschreckende Bilder auf Zigarettenpackungen wenig zur Tabakabstinenz beitragen können. Am ehesten wäre Jugendlichen geholfen, wenn sie durch geschulte Lehrer in den unteren Gymnasialklassen nicht nur über die Gefahren des Rauchens aufgeklärt würden, sondern ganz besonders die psychischen Prozesse in den Vordergrund gestellt würden.
Die ersten Zigaretten sind kein Zeichen von „Erwachsenheit“ sondern von Manipulierbarkeit und daher alles andere als „cool“ – welcher Jugendliche möchte schon gern als „manipulierbar“ gelten?
(AR)
(19.3.2014)