Parkinsontherapie
Ansätze zur Parkinson-Therapie mit Stammzellen und Gentechnologie
Warum viele Forscher es vorziehen, mit adulten Stammzellen (Nabelschnur, Knochenmark etc.) zu arbeiten, wurde in früheren Beiträgen dieser Reihe bereits erwähnt. Zwar sind adulte Stammzellen nicht mehr tuti-bzw. pluripotent, d.h. sie können sich nur noch zu gewissen Zelltypen, u. U. sogar nur noch zu einer Zellart teilen, dafür ist – zumindest derzeit – das Risiko tumorartiger Entwicklungen, wesentlich geringer als beim Arbeiten mit embryonalen Stammzellen. Das Risiko zu solchen Entartungen ist derzeit auch beim „Reprogrammiren“ (Entdifferenzieren) adulter Zellen zu Zellen mit vielseitigerer Teilungsfähigkeit vermutlich größer, als bei normalen adulten Zellen. Das liegt ganz einfach daran, dass hierfür gentechnologische Prozesse erforderlich sind, über die man vielfach noch zu wenig weiß, u.a. weil die Forschung aus ethischen Gründen bei solchen Versuchen gewissen Einschränkungen unterliegt.
Hierzu zwei wörtlich wiedergegebene neue Berichte aus FAZ.Net (Frankfurter Allgemeine und der SZ (Süddeutsche Zeitung)
FAZ.Net (Frankfurter Allgemeine, 12.04.2008)
Hirnforschung – Künstliche Stammzellen im kranken Rattenhirn, 12. April 2008
Mit gentechnisch neu programmierten Körperzellen, sogenannten induzierten Stammzellen, haben Rudolf Jaenisch und Marius Wernig vom Massachusetts Institute of Technology erstmals Ratten mit Parkinson-Syndrom behandelt. Wie sie in den „Proceedings“ der amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften berichten, wurden die transgenen Hautfibroblasten in der Petrischale gezielt zu verschiedenen Vorläuferzellen des Gehirns herangezüchtet und später in die degenerierten Hirnbezirke der Ratten transplantiert.
Tumorrisiko ist unbekannt
Den Forschern zufolge übernahmen die Kunstneurone neuronale Funktionen. Zudem verbesserten sich die Symptome. Allerdings weiß man nicht, wie lange die Transplantate funktionieren und wie hoch das Tumorrisiko ist.
Aus der SZ (Süddeutsche Zeitung vom 8.04.2008)
Stammzellforschung Zelltherapie gegen Parkinson. Mediziner sind zuversichtlich, dass die Transplantation von Zellen in das Gehirn von Parkinson-Patienten in Zukunft erfolgreich sein könnte. Von Hanno Charisius
An der Parkinson-Krankheit leidende Menschen wünschen sich einen Ersatz für die zerstörten Zellen in ihrem Gehirn. Und Ärzte sind zurzeit zuversichtlich, dass die Transplantation von Zellen in das Gehirn einmal erfolgreich sein könnte. Zwar zeigten zuletzt Obduktionen von Patienten, die vor fast zwei Jahrzehnten bei Heilversuchen mit lebendem Gewebe behandelt worden waren, dass die Krankheit womöglich auch die Transplantate befällt. Doch in jedem Fall lasse sich feststellen, dass es “im Prinzip funktionieren kann”, sagt der Neurologe Alexander Storch von der Technischen Universität Dresden. Es könne einmal möglich sein, “die Zeit nach einer Erkrankung nochmal um zehn Jahre zurück zu stellen”. Aussicht auf wirkliche Heilung gebe es aber noch lange nicht. Bei dem Nervenleiden Parkinson steht dem Gehirn zu wenig Dopamin zur Verfügung, weil die produzierenden Zellen zu Grunde gehen. Mit der Erkrankung treten das typische Muskelzittern und Lähmungen auf, die zur vollständigen Bewegungslosigkeit führen können. Ersatzgewebe soll die Funktion des Dopaminproduzenten übernehmen, so die Idee der Zelltherapeuten. Insbesondere Stammzellen wecken dabei große Hoffnung. Die Ergebnisse einer Handvoll aktueller Studien nähren Storchs Zuversicht, auch wenn drei davon der Idee von der Transplantation zu widersprechen scheinen. In den vergangenen Jahren sind einige Parkinson-Patienten verstorben, die vor neun bis 16 Jahren mit sogenannten fötalen Zellen behandelt worden waren. Zellen aus abgetriebenen Föten. Dieses Gemisch von Nervenzellen hatten Ärzte aus abgetriebenen Föten gewonnen und den Kranken ins Gehirn injiziert. Bei einigen der so Behandelten kam es zu einer nachhaltigen Besserung, bei anderen milderten sich die Symptome für wenige Jahre. Eine Gruppe erfuhr aber auch eine Verstärkung des Leidens. Zwei der drei Untersuchungen, die am Sonntag im Fachjournal Nature Medicine (online) erschienen sind, deuten nun darauf hin, dass die Krankheit auch das Ersatzgewebe befallen hat. Nach wie vielen Jahren dies geschah, können die Forscher nicht nachvollziehen. Dass die Therapie deshalb nutzlos gewesen sei, lasse sich aus den Beobachtungen aber nicht ableiten, sagt der Neurologe Ulrich Bogdahn von der Universität Regensburg: “Die bisherigen Ergebnisse zeigen das Potenzial der Zelltherapie.” Noch aber verstehe man die Mechanismen des Leidens einfach zu schlecht. “Wir müssen lernen, die Möglichkeiten des Gehirns zu nutzen, gesunde Zellen zu integrieren”, fasst Bogdahn die Aufgabe der Zelltherapeuten zusammen. Dabei könne die Forschung aus den Experimenten mit den fötalen Zellen lernen, sagt Alexander Storch. Der Methode gibt er allerdings keine große Zukunft. Zu groß seien die ethischen Bedenken inzwischen, er kennt niemanden, der das noch macht. Für wahrscheinlicher hält Storch den Einsatz von Stammzellen. Erst vor zwei Wochen hatten Forscher von Mäusen berichtet, deren Parkinson-Leiden sie mit embryonalen Stammzellen gelindert hatten. Diese Zellen stammten aus zuvor durch Klonen erzeugten Maus-Embryonen. Damit demonstrierten die Wissenschaftler, dass das sogenannte therapeutische Klonen im Prinzip auch bei neuronalen Erkrankungen funktioniert. Am Montag wurde schließlich eine Studie bekannt, die ähnliches bei Ratten zeigte. Jedoch benutzten die Wissenschaftler dabei nicht embryonale Stammzellen, sondern sogenannte induzierte pluripotente Zellen. Dabei fällt das Klonen weg, weil sich Hautzellen durch Gentherapie so umprogrammieren lassen, dass sie sich wie embryonale Stammzellen verhalten (PNAS, online). Wann und ob überhaupt vergleichbare Versuche an Menschen unternommen werden, vermag Storch nicht zu sagen. “Ich bin jetzt Anfang 40, ich weiß nicht, ob ich das noch erlebe.” Doch könnten Teilergebnisse zur Verbesserung der Operationstechnik und der Transplantate führen. Präzise Test seien aber nötig, denn es gebe bereits wirkungsvolle Medikamente und Behandlungsmethoden, um den Krankheitsverlauf zu bremsen, sagt Storch. “Eine Zelltherapie muss nicht nur sicher sein, sondern auch besser als die bestehenden Verfahren.”
(SZ vom 08.04.2008/mcs)
Einleitung und Zusammenstellung des Beitrags: Alfred Rhomberg
(12.04.2008)